Leistungsgerechte Vergütungsansätze und zielgruppenorientiertes Informationsmanagement im Bereich seltener Erkrankungen

verfasst von
Svenja Litzkendorf
betreut von
Johann-Matthias Graf von der Schulenburg
Abstract

Der Begriff seltene Erkrankungen bezeichnet eine Gruppe von heterogenen und zumeist komplexen Krankheitsbildern, von denen in ihrer Gesamtheit ca. 4 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind. Zu ihren gemeinsamen Besonderheiten zählt neben der geringen Anzahl Betroffener u. a. ein überdurchschnittlich hoher Kosten- und Zeitaufwand für die Behandlung und Beratung von Betroffenen, der unzureichend vergütet wird. Auch ein Mangel an umfassenden, qualitätsgesicherten und verständlichen Informationen für Menschen mit seltenen Erkrankungen, ihre Angehörigen und ärztliches Personal kann festgestellt werden. Damit sind seltene Erkrankungen aus gesundheitsökonomischer und versorgungspolitischer Perspektive hoch relevant. Im Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen wurden verschiedene Maßnahmenvorschläge formuliert, um die Situation von Betroffenen zu verbessern und eine hochwertige Versorgung sicherzustellen. Dazu zählt u.a. die Entwicklung adäquater Vergütungssysteme (Handlungsfeld Versorgung und Zentren) und der Aufbau eines krankheitsübergreifenden, qualitätsgesicherten Informationsportals (Handlungsfeld Informationsmanagement). Um diese Maßnahmen umsetzen zu können, bedarf es Kenntnissen über die Präferenzen der Beteiligten im Hinblick auf zukünftige Vergütungsinstrumente und spezifische Informationsbedarfe. Das Ziel der Dissertation liegt in der Analyse und Entwicklung leistungsgerechter Vergütungsansätze und eines zielgruppenorientierten Informationsangebots im Bereich seltener Erkrankungen. Im ersten Modul wird die Angemessenheit bestehender Vergütungsmöglichkeiten diskutiert und Ansätze für eine leistungsgerechte Vergütung entwickelt. Anschließend werden die Bedarfe und Präferenzen von Betroffenen, ihren Angehörigen und medizinischen Versorgern an unterschiedliche Informationsangebote analysiert und Anforderungen für ein zentrales Informationsportal abgeleitet. Zusätzlich werden Qualitätskriterien für Onlineinformationen zu seltenen Erkrankungen erarbeitet, die Qualität vorhandener Informationsangebote im Internet analysiert und Möglichkeiten für ein Informationsmanagement im Spannungsfeld zwischen Qualitätssicherung und Zielgruppenorientierung eruiert. Im Handlungsfeld Versorgung und Zentren kann zunächst eine deutliche Unterdeckung von Kosten in der Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen krankheitsübergreifend und über verschiedene bestehende Vergütungsformen hinweg festgestellt werden. Aus Sicht von Vertretern spezialisierter Versorgungseinrichtungen, gesundheitspolitischen Akteuren und Patientenvertretern besteht unmittelbarer Handlungsbedarf, um die im Nationalen Aktionsplan erarbeitete Zentrums- und Versorgungsstruktur nachhaltig zu erhalten und eine hochwertige Versorgung zu gewährleisten. Als präferierte Form der Vergütung kann eine Sonderpauschale für seltene Erkrankungen identifiziert werden, die den besonderen zeitlichen Bedarf in der Versorgung Betroffener berücksichtigt. Die Pauschale sollte nach verschiedenen Schweregraden differenziert und zusätzlich zur regulären Vergütung erstattet werden. Im Handlungsfeld Informationsmanagement kann darüber hinaus ein erheblicher Bedarf nach onlinebasierten Informationen zu seltenen Erkrankungen festgestellt werden, die über einen zentralen Zugangspunkt erreichbar sein sollten. Abhängig von Indikation, Erkrankungsstatus und weiteren personenbezogenen Faktoren variieren die spezifischen Informationsbedarfe. Übergreifend können jedoch zentrale Informationskategorien, wie beispielsweise psychosoziale und sozialrechtliche Beratung, aktuelle Veranstaltungen und Selbsthilfeangebote, identifiziert werden, die Patienten, ihre Angehörigen und Versorger gebündelt auf einem krankheitsübergreifenden Informationsportal präferieren. Um den Umstand zu berücksichtigen, dass Informationswebseiten zu seltenen Erkrankungen häufig nicht spezifischen Qualitätskriterien genügen, für Suchende dennoch bedeutsam sein können, sollte bei der Auswahl der Informationsbasis ein gleichermaßen qualitäts- und bedarfsorientiertes Vorgehen gewählt werden, dass die Qualität der angebotenen Informationsseiten transparent darstellt. Insgesamt ist festzuhalten, dass in beiden Handlungsfeldern übergreifend für die Gesamtheit seltener Erkrankungen präferenzbasierte Ansätze für eine leistungsgerechte Vergütung und ein zielgruppenorientiertes Informationsmanagement entwickelt werden konnten. Es bedarf nun weiterer Anstrengungen, um die entwickelten Ansätze in der Praxis zu implementieren, beispielsweise anhand modellhafter Rahmenvereinbarungen über eine leistungsbezogene Sonderpauschale zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern für ausgewählte seltene Indikationen. Um im Bereich Informationsmanagement eine Verbesserung der Qualität der Informationslandschaft zu fördern, sind u.a. Untersuchungen zu Professionalisierungpotentialen der relevanten Anbieter notwendig.

Organisationseinheit(en)
Institut für Gesundheitsökonomie
Typ
Dissertation
Anzahl der Seiten
126
Publikationsdatum
04.06.2024
Publikationsstatus
Veröffentlicht
Ziele für nachhaltige Entwicklung
SDG 3 – Gute Gesundheit und Wohlergehen
Elektronische Version(en)
https://doi.org/10.15488/16758 (Zugang: Offen)